Kleine Ortskunde

Vorrede

Über Hettstedt ist bis 1650 von alten Chronisten zum Teil, seitdem aber kaum etwas Befriedigendes uns überkommen. Im vorliegenden Schriftchen nun bietet ein alter Freund der Stadt in kurzer, gedrängter Darstellung einen Auszug von dem, was er von ihr im Laufe der Jahre aus Urkunden, Chroniken, Zeitschriften etc. in geschichtlicher Hinsicht gesammelt hat.

So mancher wird meinen, dass Hettstedt ihm wohl zur Genüge bekannt sei. Ein oberflächliches und gedächtnismäßiges Kennen von Örtlichkeiten, Gebäuden, einzelnen Begebenheiten pp. macht jedoch noch keinen Kenner und Sachkundigen.

Das beifolgende Büchlein wird vielleicht diesen und jenen überzeugen, wie wenig genügend noch seine Ortskenntnis und wie sehr ihm insbesondere rücksichtlich der Vergangenheit, aus welcher ja die Gegenwart herausgewachsen ist, ein nur etwas ausreichendes und zuverlässiges Wissen der Geschichte seiner Heimat, ihrer Entstehung und Entwicklung, ihrer Geschehnisse, ihrer mannigfaltigen Verhältnisse, Einrichtungen und Zustände abgeht. Das unbedeutende Werkchen kann ihm vielleicht dazu helfen, dass die bisher rein äußerliche Auffassung der Dinge um ihn zu ihrem wirklichen Verständnis sich vertieft, dass das Interesse an allem, was Hettstedt und seine Umgebung bietet, angeregt und mit ihm die Liebe zur Heimat und über sie hinaus zum großen deutschen Vaterlande gekräftigt werde. Möge dieser gute Zweck erreicht werden und das Büchlein sowohl eine wohlwollende Aufnahme, als auch nachsichtige Beurteilung finden.

 1. Abschnitt

1. Die Stadt Hettstedt liegt unter 51° 14′ nördl. Breite und 29° 19′ östlicher Länge von Ferro oder 11° 32′ von Greenwich (Sternwarte bei London), zu beiden Seiten der Harz-Wipper und ist mit 8783 Einwohnern (am 1. Dez. 1895) der bedeutendste Ort des Mansfelder Gebirgskreises, in der Reihenfolge der Städte die 31. der 142 Städte der Provinz Sachsen und die 227. unter den 1285 Städten der preußischen Monarchie. Der Marktplatz liegt ungefähr 147 m oder 470 Fuß über dem Spiegel der Nordsee.

2. Von den Höhen, die auf der rechten oder östlichen Seite der Wipper als der steile Abfall des „Mansfelder Hügellandes“ zwischen Saale und Wipper das Tal begrenzen, sind folgende zu nennen:

a) die Platte, als „auf“ und „unter“ der Platte unterschieden und derjenige (nordöstl.) Teil von Kupferberg, welcher zuerst abgebaut sein soll;

b) die südwärts sich hinziehende, an ihrem Abhange mit Gehölz, Häusern, Gärten und Bäumen besetzte Himmelshöh, mit vielen und tiefen Kellern über der „Breite“, einer Kalkhütte und dem ehemaligen Schlacken- oder Friedrich Wilhelm –Bade am südlichen, mit mehreren Einschnitten und dem sieben Morgen großen Rats- oder Herrenhölzchen am nördlichen Ende;

c) durch das Tal der sogen. heiligen Reiser mit dem Schweinsbörnchen von der Himmelshöh getrennt der Rote Berg, mit Sandsteinbrüchen und „Kegels“ Hölzchen auf der schroff abfallenden südlichen, mit dem Wiederstedter Holze auf der westlichen Seite und durch den Silbergrund von seinem talwärts mit Kirschbäumen besetzten nördlichen Teile geschieden;

d) der durch den Borngrund vom Roten Berge getrennte Jägersberg mit prächtiger Aussicht. Östlich vom Roten Berge lagen Wesenstedt und Milrode. Über sämtliche genannte Höhen und Bergeinschnitte führt die vom 12. März 1874-1876 angelegte, Sandersleben mit Riestedt verbindende Strecke der Bahn Berlin-Metz. Am 10. März 1877 kam der erste Güterzug nach Hettstedt. 1893 beschloss man zu Halle eine normalspurige Kleinbahn Hettstedt-Schwittersdorf-Halle. Die Eisenbahn-Gesellschaft Lenz & Comp. begann sie 1894 und vollendete sie im Sommer 1896.

Am westlichen oder linken Wipperufer erheben sich:

a)
der auf der Hochfläche 1830 abgeholzte, auf der Talseite mit Niederwald bewachsene Scheuberg, an dessen Fuße die Ziegelhütte „Trotz“ und nach Süden hin eine Reihe Häuser;

b)
südlich und durch die H.-Aschersleber Chaussee von ihm getrennt die Seilerhöh mit dem Schützenhause;

c)
Die am Südwestende von Hettstedt in südwestlicher Richtung nach dem Kuhgrunde hin verlaufenden, über 500 Fuß hohen Weinberge, auch der Molmische oder Molmecker Berg genannt, mit jähem Abfall ins Wippertal, am Fuße die lange Häuserreihe der „Kapelle“ und der Kolonie Molmeck nebst der „Jakobsburg“. An der Südostecke soll das „alte“ Molmeck gelegen haben. Bis zum 30-jährigen Krieg waren die Abhänge der Weinberge überall mit Reben bepflanzt. Die alten Steinbrüche an ihrem Fuße werden von den Bewohnern Molmecks nur als Keller benutzt.

3. In den tief eingeschnittenen Thale breitet sich Hettstedt an den beiden Ufern der Wipper, welche es von S. nach N. durchfließt, und an den Thalabhängen bis zur östlichen und westlichen Hochfläche malerisch aus. Im N. der Stadt liegt die 1687 angelegte Saigerhütte oder Maschinenwerkstatt, im S. die 1723 bis 1726 angelegte Kupferkammer- und Rösthütte mit Schwefelsäurefabrik (1866-68), östlich von dieser die i.J. 1872 begründete Dr. Carstensche Guano Fabrik und auf der Höhe die Zionskirche (1885), östl. der 1876 angelegte Hettstedter Bahnhof, welchem eine in dem Bergabhange hinaufgeführte Röhrenleitung das durch eine Dampfmaschine unweit der Wipper emporgetriebene nötige Wasser zuführt. Auf dem ehemals Dammanschen Grundstücke steht, der Zionskirche gegenüber und nordöstlich von ihr, seit dem September 1892 eine katholische Kirche und Pfarrwohnung.

4. Die Mansfelder oder Harz-Wipper entspringt als „alte“ W. aus mehreren Quellen auf der Ostseite des 576 m oder 1833 Fuß hohen Auersberg (Josephshöhe*), als „schmale“ W. aus einem Teiche bei Neudorf. Die oberhalb Wippra vereinigten Bäche treten bei Vatterode als Wipper aus dem Harze. Dieselbe fließt bis Leimbach in nordöstlicher, dann in nördlicher, von Sandersleben an in nordwestlicher, bei Aschersleben und nach Aufnahme der Eine in mehr östlicher Richtung, nimmt den Thalbach, den Stockbach und Hadeborn noch auf und mündet bei Gr. Schierstedt in die Saale. In langen und trockenen Sommern ist die Wipper sehr wasserarm und dann, wie 1560 und 1819, 1831, 1835 und 1836, trockenen Fußes zu durchschreiten. Nach starken Tauwetter und wolkenbruchartigem Gewitterregen aber tritt sie auch oft verwüstend über ihre Ufer, wie 1515, 1529, 1571, am 11. August 1593, in neuerer Zeit 1808, 1829, am 17. August 1834, 1841 1842 pp. geschah. Auch der bei Ritterode entspringende Hadeborn, gewöhnlich ein dürftig Wässerlein, kann zum reißenden Strome werden und die Wipper stauen (11. Aug. 1593, 21. Juni 1596, 1834 pp.).

5. Das Klima oder die Beschaffenheit der Luft nach Wärme, Feuchtigkeit, Heiterkeit, Winden pp. ist wegen des Harzes etwas rau und veränderlich, sonst wegen der häufigen Westwinde die Luft durch die Schwefeldämpfe der nahen Rösthütte öfters verpestet. Selten steigt die Wärme über 26° R. (32°C) und selten fällt das Quecksilber 2 Grad (3°C) unter Null. Sehr heiße Tage waren der 20. Juli 1881 und der 30. Juli 1887 mit + 28°R. (35°C) Am 29. Juli 1739 zeigte das Thermometer 28 Grad über, am 9. Januar 1740 aber 25 (bei -30°C.) unter Null. Der ebenso lange, wie schneereiche Winter vom J. 1829 dauerte ununterbrochen vom 13. Oktober bis zum 23. Februar 1830 mit 6 – 23 (-8 bis -28°C) Grad Kälte. In den kalten Wintern 1524, 1566 und 1571 wagten sich sogar Wölfe in die Nähe von Örner und Mansfeld – Die mittlere Jahrestemparatur ist + 7°. (etwa 9° C)

(R° und C° Vergleichs-Angaben Tabellen entnommen o. Gew.).

6. Was den Grund und Boden der bist 1876 nur 114 ha, oder 451 Mrg. enthaltenden, nach Separation der Hettstedt-Gerbstedter Flur mit 711 ha oder 2786 Mrg. gegenwärtig 825 ha = 3287 Mrg. großen Gemeindeflur betrifft, so besteht die obere Schicht der die Stadt umgebenden Anhöhen und Talränder aus zu Tage liegendem oder verwittertem Rotliegenden oder aus rotem Sandstein mit ein wenig Dammerde, darunter Gips oder Letten und Zechstein. Eine sehr fruchtbare „schwarze Lehmerde“ hat die Talsohle und die sogenannte Gerbstedter Flur. Auf dieser baut man Weizen, Rüben, Mohn, Rübsaat. Auf anderem, weniger ergiebigen Boden muss zum Anbau von Kartoffeln, Futterkräutern, Gerste und Roggen, auch Hafer, Erbsen und Linsen der Spaten und gute Düngung das Ihre tun. Zum Ackerbau nicht taugliche Flächen werden mit Kirschbäumen bepflanzt. Man gräbt auch oberhalb der Stadt an der Wipper eine gute Ziegelerde, bricht Sand- und Zechstein, jenen im Roten Berge, letzteren jedoch selten noch im Hadeborntale.

7. Zur Vermittlung des Verkehrs zwischen den Bewohnern des rechten und des linken Flussufers dienen die Breitebrücke, der Gatter- und Doktorsteg.

2. Abschnitt.

8. Des Ortes wird zuerst in einer Urkunde des Kaisers Heinrich III. vom Jahre 1046 gedacht; er darf jedoch ein viel höheres Alter beanspruchen und ist, wie die meisten Oerter auf stedt, leben, ungen, bach u.a., wahrscheinlich vor oder nach 500 von den Thüringern angelegt. Nach dem Untergange des Reichs derselben i. J. 530 wurden Sachsen Herren des Landes zwischen Harz und Saale, wanderten jedoch bereits 568 nach Italien. Nach ihnen kamen von der Havel und Oder Sueven oder Schwaben, nach 600 auch Wenden, ein slawischer Volksstamm, und gründeten Elbitz, Ihlewitz, Hübitz, Oeste u.a. Ö. Karl der Große, welcher sein Reich vom Ebro in Spanien bis zur Elbe und Saale in Gaue oder Grafschaften teilte, nannte den Landstrich zwischen Bode, Saale Schlenze und Harz Suevego oder Schwabengau. Nach der Teilung des deutschen Reiches in 10 Kreise durch den Kaiser Maximilian i.J. 1513 wurde derselbe zum obersächsischen Kreise gerechnet, für dessen 22 „Stände“ Kursachsen die Kreistage nach Leipzig ausschrieb. Seit 1439 gehörte Hettstedt zur Grafschaft Mansfeld, seit 1780 zum Kurfürstentümer Sachsen, seit 1808 zum Königreich Westfalen mit der Hauptstadt Cassel, seit 1815 zu Preußen.

9. Nach der gewöhnlichen Sage ist Hettstedt infolge der Entstehung des Bergwerks auf dem Mons qui cupreus dicitur (Kupferberg) am rechten Wipperufer wie auch der Erbauung einer festen Burg am linken Ufer in der Nähe der letzteren gegründet worden. Zwei Bergleute, Nappian und Neucke, kamen auf ihrer Wanderung von Goslar nach Freiberg in Sachsen an die Wipper 1190, entdeckten hier auf der sogenannten „Platte“ reichhaltigen Kupferschiefer. Da dieser die Probe bestand, so gedieh der Bergbau durch Zuzug und Ansiedlung von Bergleuten; ja, der Landesherr, der Edelherr Albrecht von Arnstein, legte zum Schutze der Arbeiter und des Bergwerks 1200 -1224 bei Villa Hezstede (Dorf Hettstedt) ein festes hus oder slot an, dessen Überreste wir in der „alten Burg“ vor uns haben, und stiftete für arbeitsunfähige und kranke Bergleute das Hospital Sankt Gangolfi 1215 oder 1224. Aus demselben gingen 1250 durch Mechtildis, die Witwe Albrechts, die jetzige Kirche zu Kupferberg und das Nonnenkloster zu Wiederstedt hervor.

10. Die Stadt 1046 zuerst (Heizstete) erwähnt,1224 Villa Hezstede genannt und 1334 als stad to Hestede bezeichnet, wurde 1430 mit Mauern und Türmen umgeben. Dieselben umschlossen bis 1760 die den Markt umgebende Altstadt mit den Brücken oder Breite-, dem Markt oder Saiger-, dem Molmecker- und Burgtore,

die 3 Vorstädte:

a) die Breite nebst der Saugasse oder Hohenstraße mit dem Sumpf- oder Hohentore (Nr.23; Bearb.)

b) den Freimarkt mit dem Johannis- und Hadeborntore (Hausnr. 121 u. 122);

c) Molmeck mit dem Obertore. Das Molmecker- und das Burgtor wurden im Juli 1827, die übrigen Thore außer dem i. J. 1537 mit einem hohen Turme geschmückten Saigertore 1834 und 1835 beseitigt. Die mehr und mehr verfallende Stadtmauer ist im Norden vom Johannistore an leicht zu verfolgen, indem man links die „Walbecker Gasse“ aufwärts über die „Unwerthe“ hinab zum Hadeborn und beseitigten Hadeborntore (Nr. 121 und 122), dann, den Bach überschreitend, der Mauer hinter den „Höfen“ mit den beiden Halbtürmen erst in südlicher, dann östlicher Richtung bis zum Obertore nachgeht. Von den Türmen sind außer dem „alten Molmeck“ nur der Wassertor- oder Gefängnis- und der Brücktorturm oder

„Kodegarre“  (Corps de garde ?) vorhanden. (entspricht „Wachturm“, Bearb.)

11. Die Altstadt bestand aus den Markt umgebenden Wohnhäusern und öffentlichen Gebäuden (Rathaus, Kirche, Schule, Wage-, Gewandhaus), aus einigen Gärten und Scheunen, genannt „hinter den Höfen“, aus einer Schmiede, Brauerei, Gerberei pp., „hinter den Blanken“, wo neben dem Gefängnisturme das schmale „Wassertor“ zur Wipper führt, und der Ratsmühle. Das älteste, 1442 zuerst erwähnte Rathaus stand in der Mitte des Marktes, ward jedoch 1520 und 1526 in der westlichen Häuserreihe auf Ellerstämmen neu gebaut, brannte aber am 10. Mai 1627 ab.  Das neu errichtete Rathaus wurde zum Einläuten des Schosses mit einem „Türmichen“ versehen und mit Schiefern gedeckt.  Im Jahre 1879 völlig umgebaut, enthält es im Erdgeschoss die im Dez. 1891 für 4250 Mark verpachtete Ratskellerwirtschaft, im mittleren Stock die Magistratur, das Schöffenzimmer und die Kämmerei, im oberen die Räume für die beiden Amtsgerichte, im Hintergebäude einen geräumigen Saal mit Schenk-, Umkleide-, Wartezimmer pp. Auf dem Markte steht das Denkmal, welches die Bürgerschaft den 1866 und 1870 gefallenen acht Söhnen der Stadt am 2. Sept. 1871 geweiht hat. Zwischen dem Rathause und Denkmal läuft von N. nach S. durch die Stadt die 1834 und 1835 angelegte, Aschersleben mit Eisleben verbindende Hauptstraße, zu welcher am Südende des Marktes das Haus Nr.73 niedergelegt, sowohl über den Mühlgraben, als auch  über die Wipper eine feste Brücke gebaut und durch die „Mühlgärten“ ein fester Damm geschüttet werden musste. (Früher führte die Handelsstraße von Halberstadt über Aschersleben und Gerbstedt nach Halle.) Der Hauptverkehrsweg für Hettstedt war die „Magdeburger Straße“ der der sognannte „alte Walbecker Weg“, welcher durch das Johannis- und Saigertor auf der östlichen Seite des Marktes hin, dann über die Breite und dicht an der Himmelshöh entlang, unmittelbar neben der Wipper hin führte. Diese floss unterhalb der Ziegelhütte ostwärts nach der Höhe hin, zwischen dem Fahrwege und der jetzigen Chaussee bis zum Sumpftore, um sich dann hier der Ratsmühle zuzuwenden. Das i. J. 1537 mit einem Turm überbaute feste Saigertor wurde 1872 restauriert und mit einer neuen Turmuhr für  900 Mark versehen. Auf der Seite des Freimarktes sieht man in Stein die Mansfeldischen Wappen und die Inschriften: Protector noster Deus,Verbum Dei – 1537 – manet 1537 – in aeternum. Das durch einen festen Turm geschützte Brücktor wird 1556 erwähnt. Der Turm heißt im Volksmund „Kordegarre“ (von corps de garde) Die den Verkehr mit Kupferberg und der Breite vermittelnde Brücke wurde schon im 13. Jahrhundert angelegt, 1655 von Holz, 1709 von Stein, 1808 wieder von Holz gebaut und überdacht, 1838 das Dach durch ein Geländer ersetzt. Vom Nov. 1869 bis Mai 1870 versah man die Brücke mit neuen Grundmauern, gab ihr 4 eiserne Tragbalken mit Bohlenbelag und ein eisernes Geländer.  Der Bau kostete 3450 Mark. Früher nannte man die Brücke die „steinerne“, die „große“ und die „dunkle“ Brücke – Südlich vom Rathause erhebt sich die große Stadtkirche S. Jakobi. Derselben sind auch Meisberg, seit 1694 die Saigerhütte und seit 1726 die Kupferkammerhütte eingepfarrt. Bis 1250 waren die Bewohner nach dem nordöstlich gelegenen, nahen Wesenstedt eingepfarrt, erbauten jedoch das Kirchlein S. Georgii. 1418 begannen sie den Bau einer größeren Kirche, zu Ehren Jakobus des Älteren mit Chor und (1428) Turm. Der „Knauf“ wurde erst den 27. Juli 1475 aufgesetzt und 1517 das Gewölbe geschlossen. Im „großen Brande“ am 10. Mai 1697 brannten Turm und Kirchdach bis auf die Mauern ab, und die beiden 80 und 60 Zentner schweren Glocken schmolzen. Nur die kleine „Wiesenstedter“ wurde im Schutt unversehrt vorgefunden und fortan zum Läuten benutzt. 1706 war der Neubau vollendet. 1875, den 9. Juli, nachmittags halb 4 Uhr wurde der Turm vom Blitz getroffen und die Kuppel stark beschädigt, am 8 Oktober der stark vergoldete Knopf wieder aufgesetzt, am 31.Oktober das 400-jährige Jubiläum der Kirche gefeiert. Der Altar ist 1424 erbaut, in seiner gegenwärtigen Gestalt 1732 hergestellt, die Kanzel oder der Predigtstuhl 1587 aus Stein, der Taufstein 1734, die Ratsherren-Prieche 1723, die obere dreiteilige Empore 1784, die Orgel 1556 erbaut, den 3. August 1586 mit dem „Schülerchor“ von der Seite des Beinhauses an ihre jetzige Stelle verlegt. 1741, ferner 1838, zuletzt 1857 neu hergestellt.

Wegen einer infolge eines Versehens übernommenen Schuld wurde am 1.August 1878 eine erste Kirchensteuer mit 5 Pfennigen auf die Mark Einkommensteuer beschlossen.

Der älteste Kirchhof umgab die ganze westliche, dem Markt abgewendete und von ihm durch eine Mauer mit dem „Grünen Thore“ geschiedene Seite der Kirche. An der Mauer waren die Fleisch- und Brotbänke angebracht. Der Fleischscharren nebst dem Kak in der Nähe des Rathauses wurde unter der westfälischen Herrschaft 1808 beseitigt. Statt der Mauer setzte man Steine mit Ketten und pflanzte Linden (1812). 1541-43 wurde westlich von der Kirche außerhalb der Stadtmauer der sogenannte „alte Friedhof“ angelegt, 1592 mit einer Mauer umgeben und 1853 durch den sogen. Hopfgarten erweitert, jedoch bereits am 2. September 1865 geschlossen und am 3. September westwärts auf den sogenannten Burgäckern der mit einem eisernen Gitter umgebene „neue Friedhof“ geweiht, 1887 mit einer Bahrenhalle versehen und 1890 noch erweitert.

Die Pfarrerwohnung stand früher südlich von der Kirche, wurde 1494 an ihre jetzige Stelle verlegt, ging in dem großen Brande am 10.Mai 1697 in Flammen auf und wurde erst 1718 nebst einer Wohnung für den Diakonus und Rektor wieder neu aufgebaut. Ein Archidiakonus war seit 1632 nicht wieder gewählt worden.

Eine Knabenschule hat laut einer 1875 im Kirchturmknopfe vorgefundenen Angabe bereits 1358 bestanden. Ein Schulhaus wurde an der Stelle, wo jetzt die Knaben-Bürgerschule steht, 1578 und 1579 gebaut. Es enthielt im unteren Schoß drei Unterrichtsräume für Knaben, in den oberen Wohnungen für den Kantor und Organisten. Der Grundstein zu dem neuen Gebäude wurde den 12. April 1870 gelegt, dasselbe am 5. Juli gerichtet, im Oktober vollendet, am 18. April 1871 geweiht. Der Bau kostete 8200 Thaler. Im August 1878 wurde die schöne Aula, 1881 auch der Bodenraum in je 2 Unterrichtsräume umgewandelt. Das Mädchenschulgebäude mit 6 Schulräumen wurde im August 1843 im Bau begonnen, am 23.Mai 1845 geweiht. An seiner Stelle befand sich bis 1840 der vom Friedhofe bis zur Kirche reichende Garten des Pastors. Bis 1870 enthielt das gegenwärtig vom Kantor, Organisten und Kustos bewohnte, 1706 erbaute, 1819 umgestaltete Gebäude an der Kirche drei Unterrichtsräume und die Wohnung für den Kustos. – 1885 wurde das Müller’sche Gehöft angekauft, der Turnplatz erweitert und daneben 1838 ein drittes Schulhaus mit 4 Unterrichtsräumen und einer Wohnung für den Kastellan erbaut.

12. Die drei Vorstädte sind später als die Altstadt und außerhalb ihrer Ringmauer, wie man vom Molmeckturm an aufwärts zu erkennen vermag, durch Zuflucht suchende Hörige und freie Ansiedler entstanden, die in der durch Gewerbe und Handel erblühenden Stadt das Recht und den Schutz der freien Arbeit empfingen.

a.) Die Breite und die wegen des daselbst abgehaltenen Schweinemarktes früher Saugasse genannte Hohestraße liegen am rechten Ufer der Wipper, Jene, im S. mit dem Sumpftore, liegt am Fuße der seit 1540 mit vielen Kellern versehenen Himmelshöhe und ist durch die Breitebrücke mit dem Markte verbunden. Die hohe Straße nordwärts aufsteigend, kommt man vor das hohe Tor und auf die Gerbstedter Straße, rechts bergan zur Himmelhöh, zu der Kaule, dem Ziegenberge, dem Rosenkränzchen u.a. seit 1830 entstandenen Häusergruppen, auf der westlichen Seite der Straße längs einer Häuserreihe auf zur „Platte“, von dieser abwärts zu den Häusern unter der Platte und weiter zu der langen Häuserreihe „Unterm Holze“. „Unter der Platte“ kommt man links nach Kupferberg, rechts bergauf nach dem Thiergarten, der „Neuen Sorge“, dem Windbeutel, der „Alten Katze“ pp.

Der i. J. 1200 entstandene ehemalige Flecken Kupferberg zählte 1885 63 Wohnhäuser und 315 Einwohner. Auf der Westseite von der Wipper, von der Breite, der hohen Straße u.a Stadtteilen Hettstedts umschlossen, war es von diesem seit seiner Entstehung (1200) streng geschieden, wurde jedoch am 19. April 1879 dem städtischen Kommunalverbande eingefügt und 1884 auch in kirchlicher Beziehung von Wiederstedt gelöst. Das von dem Edelen Albrecht von Arnstein i. J. 1215 gestiftete und mit Predigermönchen vom Augustinerorden besetzte Hospital S.Gangolfi ging an das um 1250 von Albrechts Mutter Mechtildis zu Wiederstedt gestiftete Nonnenkloster über und wurde zu einer kleinen Kirche umgebaut. Aus dem „Münchhofe“ wurde ein Vorwerk, welches am 10. Mai 1627 nebst der Brauerei an der Wipper abbrannte. An das Vorwerk erinnerte noch der sogen. „Engelgarten“ des Kunstgärtners Diedrich, an die Brauerei die an der Wipper gelegene Fach’sche Scheune.

b.) Der Freimarkt steht am Südende durch das hochturmige, enge Saigertor mit dem Markte in Verbindung  und war bis 1834 südwestlich an der Stelle des Hadebornbaches, wo jetzt die Häuser Nr. 121 und 122 stehen, durch das Hadeborn-, im N. durch das Johannisthor abgeschlossen: Von letzterem führte früher links die Stadtmauer entlang in der „Walbecker Gasse“ und dem „alten Walbecker Wege“ aufwärts die sogen.  „Magdeburger Straße“ als Hauptverkehrsweg nach Norden. Bei der Anlegung der Chaussee 1833-35 wurde das Johannisthor niedergelegt, der tiefe Grund daselbst ausgefüllt, der Freimarkt und der Markt höhergelegt und gepflastert. Unterhalb des Hadeborntores war früher eine Brauerei, der sogen. „kleine Ratskeller“ ( in dem jetzt Ecke’schen oder Göderitz’schen Hause Nr. 127). In der Mitte der westlichen Häuserreihe des Freimarktes führt ein Gässchen zum „Jüdenkegel“.  Ihm schrägüber stand in der östlichen Häuserreihe das 1452 gegründete Karmeliterkloster. Dies brannte 1517 ab, wurde wieder aufgebaut und im Bauernkriege am 4.Mai 1525 zerstört. An der Stelle der Klosterkirche war 1835-48 die „alte“ Post und ist jetzt unter Nr. 178 eine sogenannte Restauration. Einige Schritte weiter führt das enge Luthergäßchen zur Wipper und über die Gatterbrücke, am „Engelgarten“ vorüber bergan zum „Windbeutel“.

Auf dem Freimarkte wurde Freitag vor Corporis Christi oder dem kathol. Fronleichnamsfeste 1423 wegen einer Erbteilung der Mansfelder Grafen ein „öffentlich Freiding gehegt“.

Die krumme „Quergasse“ neben der „Walbecker Gasse“ führt zur Seilerhöhe mit dem Schützenhause. Dieses ist 1764 vom „Schützengraben“ auf die Seilerhöhe verlegt, 1865 umgebaut und mit neuen Parkanlagen versehen. – Der über das Johannisthor hinaus verlängerte Freimarkt heißt „vor dem Johannistore“ und führt

Bergan zum „städtischen Krankenhause“ und zur Johanniskirche. Hier geht die Hauptstraße nördlich in die Sandersleber, nordwestlich in die Walbecker Chaussee über. Diese läuft bergauf an der Seilerhöhe an der 1874 und 75 erbauten Sprunck’schen Piano-Fabrik vorüber.  – An der Stelle der Johanniskirche stand bis 1506 ein Zollhaus der Fürsten von Anhalt, ward jedoch darauf nach Welbsleben verlegt. Anstatt seiner erbaute Werner Günther, ein Hettstedter Bürger, die Johanniskirche und für verarmte Bürger ein Hospital. In jenes las bis 1529 ein kathol. Priester die Messe; seit 1562 hielt der Diakonus evangel. Gottesdienst. Die im 30jährigen Kriege arg verwüstete Kirche wurde 1667, dann 1830, 1853, 1894 erneuert. – Das Hospital erhielt außer einem gemeinschaftlichen „Saal“, ein Ober- und Unterhaus mit 6 Zimmern und die Wohnung für den Kastellan. 1878 wurde dasselbe in ein städtisches Krankenhaus umgewandelt. – Unterhalb der Johanniskirche ist das Mundloch des Jacob Adolf-Stollns. Auf ihn ging man 1874 nieder. Der der Johanniskirche gegenüber angelegte Brunnen hat vortreffliches Wasser. – Vom Johannistore führt in nordöstlicher Richtung und der Hauptstraße ziemlich parallel die Untermühlgasse zur Untermühle; in östlicher Richtung gelangt man zum Doktorstege und über diesen zu der unterhalb des Herren- oder Ratshölzchens gelegenen langen Häuserreihe „Unterm Holze“, an deren Ende „das Kränzchen“ stand, in welchem Herzog Friedrich Wilhelm von Braunschweig an dem für Hettstedt verhängnisvollen 26.Juli 1809 Quartier nahm. Östlich gelangt man durch einen Tunnel der Eisenbahn in die „Heiligen Reiser“ mit Sandsteinbrüchen und einem Wäldchen zur Linken, einer seit 1877 entstandenen Reihe Häuser zur Rechten. Auf der das Thal schließenden Hochfläche entspringt unter Weiden das „Schweinbörnchen“.

Vom ehemaligen Hadeborntore (Hausnummer 122) gelangt man rechts oder nördlich bergan zur Umwerthe, ein wenig zur Linken auf den Sperlingsberg. –

Das Hadeborntal ist seit fünfzig Jahren mit zwei langen Häuserreihen besetzt, welche am westlichen Ende mit der seit 1870 entstandenen „Krim“ und einer holländischen Windmühle abschließen. Von hier geht der Weg neben einer Reihe Häuser südwärts bergan zum neuen, 1865 angelegten Friedhofe, von diesem zur rechten nach dem mit Bäumen besetzten Galgenhügel, links die einreihige Friedhofstraße entlang hinab und an dem stattlichen, 1869 bis 1870 erbauten, 1880 erweiterten Knappschaftlichen Krankenhause vorüber zum „alten Friedhofe“, durch diesen hindurch und den „Kirchberg“ hinab zu der Jacobikirche und dem Markte. –

Auf dem Galgenhügel soll die älteste, von Heinrich dem Löwen zerstörte Burg gelegen haben, Burgäcker und Burgweg noch an sie erinnern.

c. Vom Markte aus, die Kirche zur Rechten, gelangt man südlich auf die Eisleber Straße, südwestlich durch das Molmecker Thor am Molmeckturme vorüber in die Vorstadt Molmeck oder die Molmecker Straße, welche südwestlich mit dem Obertore abschließt. Vor diesem führt die Obermühlengasse abwärts zur Obermühle, weiterhin ein Weg zur Burg. Das Molmecktor trug früher einen mit mancherlei Gewächsen besetzten Überbau, der am 11.Juli 1827 abgebrochen wurde. Das „Burggässchen“ verbindet M. mit der Burg. Der freie Platz „Vor dem Obertore“ führt nach S. in die „Kapelle“ und die zu Großörner gehörige „Kolonie Molmeck“, im SW. In der bergan laufenden Lehmgrube auf die „Weinberge“, zum Schützengraben, der bis 1760 zu Schießübungen benutzt und 1883 gepflastert wurde, mit der „Neuen Reihe“ , zu der mit dem Armenhause abschließenden Langengasse und zu der durch den „Kobersberg“ und „Hinter den Scheunen“ mit ihr verbundenen, dem neuen Friedhofe parallelen Rosmaringasse. Diese, sonst „Armesündergasse genannt, sah die zum Tode Verurteilten nach dem Galgenhügel führen und heißt auch die Burgäckerstraße.

Die „alte Burg“ wurde von dem Edlen Albrecht von Arnstein 1200-24 zum Schutze des Bergbaus auf dem Kupferberg und der Villa Hezstede gebaut und war mit einem Burgvoigt besetzt. Im 30-jährigen Kriege 1618-48 wurde sie hart mitgenommen, ihr Material nach dem großen Brande des 10.Mai 1697 zum Teil zum Wiederaufbau der Stadt benutzt, mit dem Schutte zum Teil der ausgebreitete Wipperarm eingedämmt und Boden zu neuem Anbau (Scheunen und der Ahrens’sche, jetzt Jordan’sche Garten) gewonnen. Neben dem hohen, runden Turme wurde seit 1634 die Burgruine zu einer Brauerei benutzt, nach 1700 ausgebaut, aber im Mai und Juni 1842 die Kommunebrauerei, worin das „Zapfenbier“ bereitet wird, dann auch das Spritzenhaus neu eingerichtet.

13. Bis zum J. 1750 bestand Hettstedt ausschließlich aus der Altstadt und den drei Vorstädten. Vor 1618 zählte es gegen 400 zwei und drei Schoß hohe, 1648 kaum noch 10 bewohnbare Häuser, im Dez. 1885 dagegen 1146. Im J. 1618 zählte die Stadt etwa 2100, i.J. 1645 nur 502 Bewohner, wovon 50 Witwen, vor dem großen Brande am 10. Mai 1697 etwa 184 Häuser, nach demselben nur 27.

Im J. 1703 hatte Hettstedt 262 angesessene Bürger, 1790 wieder 2100, 1816 dagegen 3060, 1867 aber 5041 und am 2. Dez. 1890 sogar 8641 Einwohner.

14. Die Hauptnahrungszweige der Bewohner sind Berg- und Ackerbau, Handel und Gewerbe. Der Bergbau, von dessen Betrieb sich etwa 62 Prozent der Bewohner unmittelbar ernähren, beeinflusst den Verkehr, den Handel und die Gewerbe wesentlich. Von letzteren sind die Bäckerei, Schlächterei und Brauerei *), außerdem die Material- , Kurzwaren- und Putzgeschäfte zu merken, – Am frühesten werden die Schneider, Schmiede, Gerber und Kramer genannt. Bis 1618 florierten auch Töpferei, Wein- und Hopfenbau. Nachdem die Grafen von Mansfeld 1453 der Stadt viele Privilegien verliehen hatten, blühten Brauerei, Getreide und Malzhandel mehr und mehr, seit hundert Jahren neben der Gerberei  auch die Branntwein- und Essigbereitung. Bis 1836 noch erfreute sich besonders der Hettstedter „Korn“ weithin eines guten Rufs. 1830 gingen noch 10 „Blasen“ (Am Ende, Tischmayer, Tetzner, Mühlau u.a.) Der Kartoffel-Spiritus zwang 1835 die letzten zum Aufhören. Vor sechzig Jahren blühte auch das Drude’sche Wollgeschäft in dem jetzt Schnee’schen Hause.

*) Die das beliebte „Zapfenbier“ liefernde Stadtbrauerei darf als eine ergiebige Einnahmequelle angesehen werden, da ein „Brau“ dem Besitzer jedes zweite Jahr 70 bis 80 Mark abwirft. Die „Gerechtigkeit“ ruht auf 199 Grundstücken und 203 Nummern und wird seit 1858 von etwa 25 brauberechtigten Bürgern in 35 1/2 Doppelnummern ausgeübt. Von jeder der 135 1/2 Braunummern a’ 8200 l sind an die Stadtkasse 8 Thaler zu zahlen. 1874 nahm dieselbe 1968, die königl. Steuerkasse 8834 Mk. ein. Außer Zapfenbier wird bei Freytag in der Hohenstraße Lager- und Braunbier gebraut. Seit 1895 ist eine Biersteuer, vom hl 50 Pf. eingeführt, dafür im Februar 1896 einstweilen der sogenannte Pfannenzins von 8 Thlr. aufgehoben.

3. Abschnitt.

15. Jahrmärkte hatte Hettstedt seit 1453 nur 2, nämlich Sonntag nach Jacobi und Dienstag nach Dionysii. 1679 erhielt es einen dreitägigen Roß-, Vieh- und Krammarkt für Montag nach Lätare, 1697 nach dem großen Brande einen vierten für Dienstag nach dem 1. Advent. Seit 1882 werden nur noch 2 abgehalten: Dienstag zu oder nach Margarethen und Donnerstag nach Cruzius, der von der sogen. Wiederstedter „Trotzwiese“ 1874 in die Stadt verlegte „Wiesenmarkt“. – Wochenmärkte finden regelmäßig erst seit dem 12.April 1828 jeden Mittwoch und Sonnabend statt.

Außer der holländischen Windmühle im Oberhadeborn, in deren Nähe 1886 ein Brunnen angelegt worden, hat die Stadt 3 Wassermühlen: die Ober- und die Rats- oder Herrenmühle am oberen und die Untermühle am unteren Mühlgraben. Jene haben 4 und 5 Mahlgänge und können auch durch Dampf getrieben werden.

Öffentliche Brunnen hat die Stadt 26, davon allein 7 auf dem Markte und in seiner nächsten Umgebung. Sechs sind in den letzten Jahren neu gegraben:

Im Windbeutel 1882, im Schützengraben und auf der Kaule 1885, in der Krimm 1886,  in der Burgäckerstraße 1887, Unterm Holze 1892. Das Wasser sämtlicher Brunnen wird von Zeit zu Zeit chemisch untersucht.

16. Die städtische Verwaltung. Die Verwaltungsbehörde ist bekanntlich der Magistrat. Derselbe besteht aus dem Bürgermeister, welcher gegenwärtig auch das Amt des Polizeianwaltes, Amtsvorstehers, Standesbeamten und Kreisdeputierten bekleidet, dem stellvertretenden Magistrats-Assessor, dem Stadtkämmerer und drei unbesoldeten Ratsherren. Im J. 1885 waren dies:

1.) der Bürgermeister Rudolf Jahr seit dem 4. Mai 1864, zum zweiten Mal den 4. Mai 1875, i. J. 1887 zum dritten Mal auf 12 Jahre gewählt;

2.) der Beigeordnete und Stadtälteste Ludwig Demelius, seit dem Nov.1875;

3.) der Stadtkämmerer Gottlieb Faust, seit 14. April 1867 – 1893.

Die drei Ratsherren waren:

1.) der Fleischermeister Aug. Am Ende seit dem 22.April 1874;

2.) der Rentier Fried. Sehnert seit dem 11. März 1880;

3.) der Buchdruckereibesitzer und Buchhändler Fritz Schnee.

Am 1. Oktober 1893 wurde nach Pensionierung des Stadtkämmerers Faust ein Stadthauptkassenrendant (Dechent) und Obersteiger Brand als Kämmerer und unbesoldetes Magistratsmitglied gewählt. Als Ratsherren traten ein:

1.) für Schnee 1888 der Kaufm. Ed. Hentschel sen.,

2.) für Fr. Sehnert, welcher im Februar 1893 freiwillig ausschied, der Rentner

A. Crucius, für A. Am Ende Lohgerbermstr. Karl Tetzner, für E. Henschel

(† Nov.1895) Kaufm.W. Fricke.

Dem Magistrat steht insbesondere das Patronatsrecht über Kirche und Schule, die Aufsicht über die im Aug. 1881 errichtete Feuerwehr pp. zu.

Am 17. März 1831 wurde die revidierte Städteordnung eingeführt. Am 10. und 11. Okt. fand unter der Leitung des köngl, Landrates v. Münchhausen die erste Wahl der 12 Stadtverordneten, durch diese am 7.Januar 1832 des Magistrats statt. Im Nov. 1875 wurde die Zahl der Stadtverordneten von 12 auf 18 erhöht. Dieselben, durch die Bürger freigewählt, kontrollieren die städtische Verwaltung und geben in wichtigen Angelegenheiten die entscheidende Stimme ab.

Bürgermeister seit 1832 sind gewesen:

1832 – 36    Stadtsekretär Weise,

1837 – 49   G. Kersten,

1849 – 63   Fr. W. Heddrich,

seit 1864   Rudolf Jahr.

Erst nach der Aussöhnung des Grafen von Mansfeld mit der Stadt i.J. 1453 werden 2 Bürgermeister genannt, welche gemeinsam oder halbjährlich wechselnd das Regiment führten. Vor 1453 sorgte wahrscheinlich der Burgvoigt des Landesherrn als Schultheiß für Ruhe und Ordnung, entschied also auch Streitfälle, wo es nötig, unter Beistand von 6 oder 12 Schöffen, die aus adeligen Dienstleuten, Gewerken und reichen Grundbesitzern gewählt wurden. Aus diesen „ratsfähigen Geschlechtern“ entnahm man seit 1453 außer den 2 Consules die 12 Ratsherren, die zu 6 halbjährlich wechselten. Die auf Lebenszeit gewählten Schöffen (Scabini d.i. Schaffende) schöpften oder fanden unter dem Vorsitz eines rechtsgelehrten Richters das Recht.  1530 bestand der Rat (consulatus) aus 3 „Mitteln“, jedes aus 2 Bürgermeistern und 6 Beisitzern oder Ratsherren. Dem „regierenden B“, der oft zugleich Stadtrichter  war, stand ein vereidigter Stadtschreiber (notarius publicus oder juratus) zur Beurkundung von Rechtsachen zur Seite. Aus den Ratherren wurden die Brot- und Fleischschätzer, die Brau-, Gewand-, Waffen-, Wage- und Marktmeister, auch die Kastenherren oder Kirchenvorsteher gewählt. Als Hettstedt 1780 an Sachsen kam, unterstellte dies die Verwaltung sofort dem Oberaufseher zu Eisleben und gestattete nur 2 Bürgermeister und 4 Tribunen (Vorsteher oder sogen. Zwölfer). 1804 bestand das Rats-Collegium nur aus dem Bürgerm. Gehrmann, dem Stadtschreiber Schmidt  und den 4 Ratsherren: Stadtrichter Tischmeyer, Kämmerer Müller, ferner Spillner und Sehnert. Im Mai 1808 ward Hettstedt westfälisch. Von Cassel aus setzte die neue Regierung einen Maire (spr. Mähr), einen Friedensrichter und einen Notar. Seit 1815 bestimmte Preußen die Verwaltungsbehörde, seit 1831 gemäß der revid. Städteordnung.

Das für die polizeiliche und sonstige Verwaltung   des Gebirgskreises seit 1816 bestehende Landratsamt wurde den 1. April 1869 nach Mansfeld verlegt.

17. Zur Erfüllung der mannigfachen Obliegenheiten einer geordneten Staats- und Gemeindeverwaltung müssen die Angehörigen nach dem Maße ihres Vermögens durch Abgaben oder Steuern den nötigen Aufwand decken. Man unterscheidet Staats-, Provinzial-, Kreis-, Gemeinde- und Kirchensteuern, direkte oder Einkommen- und indirekte oder Verbrauchs-, Grund-, Gebäude-, Gewerbe- u.a. Steuern. Zur Vereinnahmung der Kommunal- und Staatssteuern besteht die Stadtkämmerei und die Königl. Steuereinnahme. In jene werden der Schoß, Einkommen- und Klassen-, die Grund-, Gebäude-, Gewerbe- und Schulsteuer gezahlt. Außerdem verwaltet die Kämmerei die Spar- und Kirchenkasse. Die Königl. Steuerkasse nimmt die Braumalz-, Branntwein-, Zucker-, Stempel-, Ein-und Ausgangssteuer ein

Die städtischen Einkünfte sind unbedeutend. Sie bestehen aus dem Schoß oder Hauszins, aus Pachtgeldern von Baumbepflanzungen und Äckern, vom Ratskeller und Gerichts-Fiskus, dem Zins der Brauerei, dem Überschuss der Sparkasse u.a. 1880 waren die größeren Einnahmen: vom Ratskeller 1950 Mk, vom Gerichts-Fiskus 1300, Ackerpacht 1717, von Plantagen 650, vom Schoß 3175, Brauzins 1558, Kommunalsteuer 25703, von der Sparkasse 2100 Mk.

Größere Ausgaben waren:

Besoldung des Bürgermeisters, des Kämmerers und eines Gehülfen 4950 Mk., der 2 Polizeidiener 1110, der 3 Nachtwächter 1080, für Schulzwecke 8663, zur Armenpflege 5707, zur Beleuchtung 1500, zur Verzinsung der Schulden 4179, zur Tilgung 3800 Mk. u.a.m. Einnahmen und Ausgaben = 42000 Mk. Die Stadtschuld  betrug 103000 Mk.

Bis zum vorigen Jahrhundert wurden die Ausgaben für die Stadt vom Schoß, Wege-, Wage- und Marktgelde, von der Bier- und Wein- , der Brotbank und Fleischscharrnsteuer, auch von Strafgeldern bestritten. Eine Landessteuer wurde zur Anlegung besserer Wege in der Grafschaft 1522 als erster Zins erhoben.

18. Die Rechtspflege wird besorgt durch zwei Amtsrichter nebst 2 Gerichtsschreibern oder Sekretären, 1 Gerichtsvollzieher und 2 Gerichtsboten. Die Geschäftszimmer sind im oberen Stockwerk des Rathauses.

In den frühesten Zeiten wurden Streitigkeiten von einem Schultheißen oder dem Burgvogte, in wichtigen Fällen unter Zuziehung gewählter Schöffen entschieden. 1453 verliehen die Grafen von Mansfeld der Stadt die oberste Gerichtsbarkeit oder das Recht, zu richten „über Hand und Hals“. Alle polizeiliche und richterliche Gewalt ruhten mithin in den Händen des Rats. Verbrechen und schwierige Strafsachen entschieden die Schöffen nach „allgemeinen Recht“; der Richter „befand“ das Urteil. Neben der Folter spielten bis ins vorige Jahrhundert der Kak oder Schandpfahl, Galgen und Rad eine ebenso wichtige wie traurige Rolle. Unter der westfäl. Herrschaft (1808-13) versah ein Friedensrichter die rein richterlichen Gescägte. 1816 richtete Preußen ein Stadt- und Landgericht, an seiner Stelle 1821 ein Gerichtsamt, 1834 eine Gerichtskommission ein. Am 1. Okt. 1879 ward nach Beseitigung der Patrimonial- oder Privatgerichtbarkeit durch Einführung einer allgemeinen deutschen Justizorganisation für Hettstedt ein dem Landgerichte zu Halle untergeordnetes Kreisgericht, später zwei Amtsgerichte angeordnet. Geringfügige Streitsachen kommen zuerst vor die beiden Schiedsmänner. Am 16.Okt. 1879 fand das erste Schöffengericht statt.

19. Die Ortsgeistlichkeit besteht aus einem Oberprediger und Diakonus, welche abwechselnd den Gottesdienst verrichten und die kirchlichen Amtshandlungen unter sich verteilt haben. Oberprediger seit dem 5. Jan. 1890 H. Graß, Diakonus seit Febr. 1896 Sannemann, cand. theol. von Roßla.

Bis 1260 mussten die Bewohner zur katholischen Messe nach dem nahen Wiesenstedt (1130 Visenstede), erhielten jedoch zu ihrem Kirchlein S.Georgii einen eigenen Priester.  1418 ward eine größere Kirche St. Jakobi gebaut, jedoch erst 1475 vollendet. Da der 1492 erwählte Propst sich nur durch unwissende Offizianten vertreten ließ, so holte man sich von Naumburg in Dr. Koch einen eigenen Priester, ohne die Patronin, die Äbtissin des Quedlinburger Stifts, zu fragen. Seit 1529 verkündet der Diakonus Johannes Rohn die evangelische Lehre. Als er Pastor geworden, wählte man noch einen Archidiakonus und Diakonus. Diese drei bildeten das Ministerium, dessen Unabhängigkeit der Rat treulich wahrte, auch als man 1632 keinen Archidiakonus wieder wählte. 1780 wurden beide Geistliche von Dresden aus dem Consistorium zu Leipzig, 1808-13 dem zu Cassel untergeordnet. Seit 1816 unterstehen sie dem Consistorium zu Magdeburg. – Das kirchliche Aerar wurde bis 1780 von den sogen. Kastenherren, später von einem Presbyterium oder Kirchältesten-Collegium, dessen letzterer, der „alte Spillner“, 1873 starb, seit dem 4, Januar 1874 von 12 Kirchenräten und 36 Gemeindevertretern verwaltet.

20. In den 10 Knaben und 10 Mädchen-Klassen der sechsstufigen Bürgerschule unterrichteten 17 Lehrer und 3 Lehrerinnen. Patron der der Schule ist der Magistrat, Inspektor seit 1853 der Diakonus jetzt Rektor. 1578 und 1579 wurde eine neue Knabenschule erbaut, im Februar 1580 geweiht. In der lateinischen Weihrede, die im Turmknopfe auf Pergament noch vorhanden, gedenkt der Pfarrer Andr. Hoppenrodt einer bereits 1358 vorhandenen Stadtschule. Als Rektor wird 1519 Johannes Rohn, ein Mädchen-Lehrer erst 1705 genannt. Das Schulwesen, also auch der Unterricht, war, um für kirchliche und weltliche Ämter geschickte Männer zu bekommen, ausschließlich lateinisch, in engem Anschluss an die Kirche. Viele Rektoren und mehrere Kantoren sind später in ein Predigtamt getreten. 1595 gab es 4 Lehrer. 1628 waren nur 12 „Schülerlein“ zu unterrichten.1730 zählte die Schule 246 Schüler, 4 Knabenlehrer und 1 Mädchenlehrer, 1840 600, i.J. 1876 aber 1083 und 1886 sogar 1559, 1892 etwa 1630 Schüler.

Am 23. Dez. 1895 und 4.Januar 1896 beschlossen wohlhabende Bürger die Gründung einer höheren Privatknabenschule, ihren Beginn am 1.April unter Leitung des Dr. Hildebrandt.

21. Was die öffentliche Gesundheitspflege betrifft, wirkten 1885 als Knappschaftsarzt für die Stadt und Umgegend seit 1884 Dr. Hildebrandt und als städtischer Arzt seit 1877 Dr. Freygang, als Kreis-Physikus der am 19.April 1877 leider durch einen Schlagfluß seitlich gelähmte Sanitätsrat Dr. Rupprecht, als Kreis-Chirurg Kegel. Dr. Rupprecht, 1891 in den Ruhestand getreten, starb den 30.Juni 1891. Kreisphysikus wurde Dr. Meyer zu Mansfeld. Als fungierten 1893: Dr. Freygang, Dr. Körner, Dr. Pitschke, als Kreis-Chirurg Fricke. Zur Geburtshilfe dienten vier Hebammen, zur Untersuchung auf Trichinen mehrere Fleischbeschauer. – Zur Unterbringung der im „oberen Reviere“ verunglückten Bergleute dient seit dem Febr.1871 das knappschaftliche, für einheimische und fremde Kranke seit dem Juli 1881das städtische Krankenhaus neben der Johanniskirche. Zur Besorgung der nötigen Heilmittel ist eine Apotheke auf dem Markte.

22. Zur Versorgung der Bewohner von Stadt und Land mit schriftstellerischen Erzeugnissen, Nachrichten und Mitteilungen mancherlei Art dient eine Buchdruckerei und Buchhandlung. Im Nov. 1832 legte der Buchdrucker Hüttig aus Stolberg eine Buchdruckerei mit Sortimentshandel an. In jener wurde das vom Buchbinder Arlt seit 1831 in Aschersleben besorgte „Wochenblatt“ wöchentlich ein, dann zweimal in Quart, nach Übernahme des ganzen Geschäfts durch Fritz Schnee seit dem 1.Jan. 1874 in Bogenformat drei, vom 1.Jan.1884 an vier- und seit 1885 sogar sechsmal zu demselben Preise gedruckt und verbreitet.

Seit dem 1. Jan. 1892 hat der bisherige Leiter der Buchdruckerei, O. Böhnert, das Wochenblatt übernommen.

Eine zweite Buchdruckerei mit Herausgabe der „Hettstedter Zeitung“ besteht seit 1890, seit 1890, seit 1895 mit Motorbetrieb und 1896 mit Unfall-Versicherung von Ernst Freyberg.

23. Das hiesige, der Beförderung von Briefen, Paketen und Drucksachen, Postaufträgen und Warenproben, wie auch von Personen und Telegrammen dienende Kaiserl. Postamt 2.Kl. steht unter der Oberpostdirektion zu Halle. Der Telegraphendraht Aschersleben – Eisleben zweigt sich seit dem 1.April 1872 über Mansfeld nach Riestedt ab, – 1880 gingen ein 184.436 Briefe und wurden 146,232 aufgegeben, Postkarten 31.068 und 40.608, Pakete 23,130 und 9972, Geldbriefe 1854 mit 4,273,524 Mk und 4824 mit 6,678,558 Mk, Telegramme 2539 und 2650 u.a.m.

1809 wurde zuerst von Cassel eine Poststelle eingerichtet, blieb jedoch ohne Bedeutung, da die Hauptstraße bis 1834 über Gerbstedt führte. Seit dem 1.Sept. 1835 ging täglich einmal eine 4sitzige Personenpost, seit 1860 eine zweite durch Hettstedt. Am 1.Sept. richtete man für Aschersleben – Eisleben (über H. und Mansfeld) 3 sechssitzige Wagen ein, hob jedoch nach Eröffnung  der Eisenbahn Aschersleben – Könnern die Post Aschersleben – H, den 15 Oktober 1871 auf und ließ täglich 2, dann 3 Wagen nach Sandersleben gehen, bis im Mai 1879 die Bahnstrecke Güsten – Riestedt eröffnet war. Seitdem fährt nur noch ein 6sitziger Wagen früh nach Eisleben und kehrt abends zurück. 1880 benutzten diese Post nur 361 Personen. Postvorsteher waren: Kersten 1820-30, Bonte 1850, Schwarz – 1854, Barth und Hahn -1861, Singer, seit 1874 Postmeister, Wotschke seit dem 1.Januar 1893, seit 1894 Postdirektor, Hauptmann a D. Kutzner.

Bis 1885 befand sich die Postanstalt Markt 32, bis Ende Juni 1858 in der sogen. „alten Post“, Freimarkt 178, bis 1. Juli 1864 Markt 26, bis 1. Juli 1885 Markt 72 u. 73, seitdem Breite 235. 1895/96 ist an der Bahnhofstraße ein neues Postgebäude im   Bau.

24. In den in Hettstedt bestehenden, bereits genannten Einrichtungen sind noch folgende Anstalten, Vereine und Gesellschaften zu nennen:

a. Die städtische Sparkasse, den 2.Sept. 1857 begründet, nimmt Einlagen bis 500 Mark an und verzinst mit 3 1/2 Proz. Am 31. Dez.1885 waren 2143 Bücher mit 465,772 Mark im Umlauf, 215 mit Einlagen über 600 Mark Zinsüberschuß 6443 Mark; Reserve 40,013 Mark.

b. Die Diskonto-Gesellschaft, E.G. zur Unterstützung und Förderung der Landwirtschaft und des Gewerbes, 1860 gegründet. 1885: 178 Mitglieder mit 60339 Mark Einlage. Reservefonds 21,596,69 Mark, besondere Reserve 7600 Mark. Der Geschäftsumsatz betrug 2,389 597 Mark, der Gewinn 11926 Mk. Bankerutt des Posth. R. 1891 ward sie in eine Handelsgesellschaft 1892 umgestaltet.

c.  Die Drescher-Sterbekasse, 1840 gegründet, Mitgliederzahl 500. Beitrag 15 Pfennige, Zahlung 66 Mark. Kassierer: Chr. Schwennicke

d. Die Schneider-Sterbekasse, den 30. März 1844 gegründet. Bei jedem Sterbefalle jedesmaliger Beitrag 15 Pfg. Zahlung 66 Mark, Zahl der Mitglieder 231.  G. Müller, Schneidermeister, Kassierer.

e. Schuhmacher-Sterbekasse, auch 1844 zu gleichem Zwecke geründet, wie d, nimmt 30 Pfennige Beitrag und zahlt 66 Mark. Mitgliederzahl 266. Kassierer: Fahrsteiger Heyer.

f. Der Frauen-Verein, am 14. Jan. 1856 gegründet, hat die Unterstützung hilfsbedürftiger Familien zum Zweck. Mitgliederzahl 148. Jährlicher Beitrag 3 Mark. Vorsitzender: Oberprediger Graß.

g. Der Konsumverein, welcher 60 Mitglieder zählt, besteht seit 1. Januar 1872.

h. Der Männer-Turnverein, am 23. Juli 1876 gegründet, zählt 80 Mitglieder. Wöchentlich 2 Turnabende.  Beiträge 25 und 15 Pfg. Turnwart: Eisendreher Schaaf. Der T. ist jetzt in zwei Vereine geschieden.

i. Die freiwillige Feuerwehr, im Aug. 1981 gegründet von 44 jungen Männern, zählten 53 Mitglieder. Jährlicher Beitrag 1,80 Mark. Hauptmann: Kaufmann Oßke. Kassierer: Fritz Ballin.

k. Der Bürger-Schützenverein oder die Schützen-Kompagnie ist der älteste von allen Vereinen und 1763 neu eingerichtet, im August 1835 als Jäger ausgerüstet. 100 Mitglieder. Beitrag 6 Mk. Hauptmann: Fleischermeister Fr. Tetzner

1. Der bergmännische Schützenverein, 1860 gegründet, zählte 1885 gegen 60 Mitglieder, Beitrag 3 Mk. Hauptmann: Bergmann Böttcher.

m. Der Kriegerverein, 1871 gegründet von Kampfgenossen der Kriege 64,66 und 70, zählt 100 Mitglieder. Hauptmann: Andreas Kühne. 1895 Kunstschleifer Theodor Franke.

n. Die städtische Liedertafel, am 16.September 1844 gegründet, zählt 42 Mitglieder. Beitrag 6 Mk. Dirigent: Kantor Lange. Kassierer: E. Müller.

o. Die bergmännische Liedertafel, gegründet den 2. Mai 1861 zur Pflege des Volks- und Vaterlandsliedes.  66 Mitglieder. Beitrag 3 Mk.

p. Die Liedertafel Concordia, den 18.März 1870 gegründet, zählt 35 Mitglieder. Dirigent Kaufmann O. Rölecke

q. Der Kirchengesangverein zählte 28 Sänger. Dirigent: Kantor Lange. gegründet den 26.Mai 1884.

r. Die Erholungsgesellschaft Harmonie „bei Kirchbergs“, zählte 120 Mitglieder.

Vorstand: Mag. Assessor L. Demelius, Kassierer Obersteiger Brand,

Schriftführer Kämmerer Faust.

s. Die Bürgerhalle, 1852 gegründet, zählt 70 Mitglieder Vorstand: Fahrsteiger Zinke

Außer diesen genannten achtzehn Anstalten und Vereinen sind noch andere vorhanden, welche auch dem allgemeinen Besten dienen sollen, z.B. die Maurer-Krankenkasse, die Maschinenwerkstätter-Liedertafel, der Radfahrverein „Wanderer“ seit 1897, gegründet vom Buchdruckereibesitzer E. Freyberg, der Missionsverein, der Obstbauverein, die Sanitätskolonne, der Militärverein, der Bürgerverein (gegr. im Dezember 1895), die „Erholung“, die Liedertafel „Eintracht“;  u.a. Von ihnen fehlten jedoch dem Verfasser die bezüglichen weiteren Angaben. Noch andere sind trotz ihres guten Zwecks in den letzten Jahren leider wieder  eingegangen, z.B. der zu gegenseitiger Aushülfe i.J. 1852 gegründete und 1865 in Liquidation geratene Vorschussverein, der Viehversicherungsverein. Der 1848 gegründete land- und forstwissenschaftliche Verein, welcher jährlich 5 oder 6 Versammlungen, im Juli einen Saatmarkt und im Januar eine Prämiierung braver Dienstleute abhält, wechselt alljährlich mit Mansfeld. Hier fand er 1893 statt.

25. Aus den Pfarr- und städtischen Annalen ist zu ersehen und A. Ranke rühmt in seinem Brandbüchlein vom J.1705 S. 182 und 201, daß die Vorfahren auf Kirche und Schule viel gehalten und dies durch Vermächtnisse mancherlei Art an beide bewiesen haben. Nicht wenige derselben sind während des dreißigjährigen Krieges verloren gegangen; jedoch haften an einzelnen Häusern noch immer gegen 30 Legate, deren Zinsen nach 2 bis 6 Jahren an die beiden Geistlichen und die drei ersten Knabenlehrer gezahlt werden. Bedeutende Schenkungen der neueren Zeit sind:

a.) Vom Pfarrer M. Gottfried Berver (1717-31) ist der jährliche Pachtzins von 9 Morgen Acker – etwa 300 Mk. – als Stipendium für einen auf der Universität studierenden Hettstedter und 300 Thaler zur Erhaltung seines Grabdenkmals in der Bahrhalle des „alten“ Friedhofs bestimmt.

b.) Friedrich Böttger, als Gerichtssekretär am 23. Januar 1860 hier gestorben, bestimmte alljährlich an seinem Todestage die Zinsen von 1500 Taler an unverschuldet zurückgekommene Bürger zu verteilen. 2.) die Zinsen von 400 Thlr. zur Verschönerung des Friedhofs und 3.) die Zinsen von 1000 Thlr. zu Prämien für die zwei besten Schüler jeder Klasse der Bürgerschule zu verwenden. (Das Grab des Verstorbenen in  der Nähe der Bahrhalle ist durch ein eisernes Gitter und hohes eisernes Kreuz ausgezeichnet.)

c.) Der Hüttenmeister Ziervogel, am 30. April 1869 zu Staßfurt gestorben und am 3. Mai hier begraben, bestimmte die Zinsen von 1000 Thlr. zur Bekleidung und Bescherung armer Kinder am Weihnachtsfeste.

26. Schreibung und Bedeutung des Städtenamens:

Bis 1540 hat in Schrift- und Druckwerken der Name des Ortes wenigstens eine 30 malige Veränderung und eine 15fach voneinander abweichende Schreibung erfahren. So finden wir 1046 Heizstete, 1121 Heikstete, 1224 Hezstede, 1243 Hetstide, 1246 Hekstede, 1289 Hetzstide, 1322 Hezstedhe pp. 1531 Hettstedt, 1541 Hettstedt, 1710 Heckstedt, 1780 Hettstedt, seit 1815 Hettstädt, 1885 Hettstedt.

Nach der Behauptung der älteren Chronisten ist Hettstedt 1200 entstanden und soll den Namen Heckstedt von vielen Sträuchern und Hecken haben, Heststedt von den Hessen, so hier gewohnt, Hetzstedt von Hetzen und Jagd, Eckstedt, weil das Friedburger, Arnsteiner und Mansfelder Gericht wie in einer Ecke hier zusammen stoßen, endlich Hegstedt vom Grafen Hoyer und Heger (?) von Valkenstein.

„Es sind das alles nur einfältige Mutmaßungen,“ meint E. Ahrens.

Die Gründung Hettstedt ist keineswegs eine Folge der Entstehung des Bergwerks auf Kupferberg (1200). Das Stammwort stete, stede, stide in den ältesten Namensformen weist vielmehr auf eine weit frühere Zeit, nämlich auf eine Siedlung durch die Thüringer vor oder nach 500 hin. Die von denselben angelegten Örter endigen vorzugsweise auf stedt, leben, ungen oder ingen, burg oder berg, beck, a oder aha. (Rietstedi 777 oder Riestedt = Stätte, Wohnstätte, Ansiedlung am Ried, Islebo 994 oder Eisleben = Erbgut des Iso, Schidingi 527 oder Scheidungen – Ansiedlung an einer Grenzscheide, Bisiniburg oder Bösenburg – befestigte Anhöhe des Bisino) Die Endungen dorf, feld, hagen, rode, schwende (von suanjan = schwinden machen) gehören dem 9. und 10, rieth dem 12. Jahrhundert an. (Friesdorf, Mannesfeld 973, Grifinhagen 954, Rothirarod 982 oder Ritterode pp. –

Molmeck ist verstümmelt aus Molen- oder Mulinbeck = an oder zu dem Mühlbache). – In zusammengesetzten Ortsnamen nennt das Stammwort ( ahd. stat, mhd. Stete, as stad, stedi) das Was, das Bestimmungswort das Wie, Wo, Von wem? oder die Bodenbeschaffenheit, die Lage, den Gründer Hettstedt = die oder zur Wohnstätte des Hegizo, Hecco, Heccho, Eico. (Nach Prof. Dr Größler)

27. Das Wappen der Stadt stellt den Patron von Kirche und Stadt, den heil. Jakobus den Älteren, welcher i.J. 44 zu Jerusalem den Märtyrertod starb, mit Hirtenstab und Tasche dar. In der Rechten hält er das Querfurter, in der Linken das Mansfelder Wappen. Sein Jahrestag ist der 25. Juli; seine Symbole sind Muschelhut, Pilgerstab und Schwert.

Um die Originalität des Fundstückes zu erhalten, wurde außer einem zeitgemäßen Schriftbild auf eine durchgehende orthografische Überarbeitung verzichtet.

Bearbeitet von E. Graf/Chronist u. F. Weisflog im Oktober 2018

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