Fundstück zu einem Ereignis welches über 270 Jahre zurückliegt
aus:
Ein herrschaftliches Leichenbegängnis vor 200 Jahren
von Erich Freygang-Hettstedt
Auf dem Boden des Schlosses zu Burgörner sind vor einiger Zeit ganz verstaubte Akten gefunden worden. Wenn sie auch heimatgeschichtlich nicht von besonderer Bedeutung sind, so bieten sie kulturgeschichtlich doch immerhin manches Interessante. Im wesentlichen betreffen sie Familienangelegenheiten der Dacherödens, die einstmals die Güter Burgörner und Siersleben besaßen, denn der Kgl. Preußische Regierungspräsident und Kammerherr Car Friedrich von Dacheröden hatte diese Güter durch die Heirat mit Freifrau Helene Ludmilla von Posadowski bekommen.
Er starb 1741 (37) und wurde in Magdeburg beigesetzt. So handelt denn ein Aktenstück von den Begräbniskosten. Fein Säuberlich sind alle Rechnungen quittiert zusammengeheftet. Sie bieten so bis in die kleinsten Kleinigkeiten hinein einen Überblick über die Kosten der Bestattung, gleichzeitig geben sie uns einen Einblick in die damaligen Verhältnisse bei der Beisetzung einer vornehmen Leiche.
Carl Friedrich von Dacheröden wurde natürlich als hoher Kgl. Beamter im Dom beigesetzt. Dafür mussten an das Domkapital 200 Taler gezahlt werden. Weitere 30 Taler bekam die Kirche für die eigentliche Bestattung, nämlich 10 Taler der erste Domprediger für die Leichenrede und noch einen Taler für die Danksagung. 8 Taler erhielt die Domschule für das Singen usw. Ferner entstanden noch weitere Sepulturkosten (Begräbniskosten) in Höhe von 15 Talern, nämlich für das schwarze Leinentuch mit Atlaskreuz 6 Taler, für Leuchter, Gabeln und Pyramiden 2 Taler 8 Groschen und dann erhielten die 4 Chorales und beiden Küster noch je einen Taler für das Tragen. (wahrscheinlich des Sarges bis zur Gruft)
Natürlich war die Kirche in ein Lichtermeer getaucht denn es wurden 22 Schock (= 1320 Stück) Steckleuchter geliehen für 13 Taler 18 Groschen. Davon fehlten beim Zurückliefern 66 Stück und 20 Stück gingen beim anschlagen entzwei. Diese fehlenden Stücke mussten mit je einem Groschen extra bezahlt werden.
Wie das damals üblich war bei vornehmen Leuten, fand die Bestattung des Präsidenten von Dacheröden nachts statt. Selbst Magdeburg hatte damals nur eine sehr dürftige Straßenbeleuchtung. Deswegen und auch weil die Feierlichkeit dadurch wesentlich erhöht wurde, brannten beim Leichenzug eine Menge Fackeln. Es wurden dazu benötigt 410 Stück gewöhnliche runde Fackeln und außerdem noch 24 Stück weiße Fackeln, die nebeneben den dem Leichenwagen getragen wurden. Der Eichensarg kostete nur 21 Taler, aber der kostbare Beschlag dazu musste mit 50 Talern bezahlt werden.
Oben lasen wir schon, dass die Domschule mit Gesang aufgewartet hatte. Nun aber mussten alle Leidtragenden, die mitgingen, und das waren natürlich nicht wenige, auch singen. Natürlich aber sang man, wenn ein so vornehmer Mann begraben wurde, nicht aus dem gewöhnlichen Gesangbuch, sonder es wurde ein besonderes Lied gesungen. Diese Lied, eine „Cantate“ wurde in einer Auflage von 1200 Stück vom Buchdrucker Nicolaus Günther gedruckt. Die ersten hundert Stück kosteten1 Taler 6 Groschen, die weiteren je hundert 15 Groschen. Das machte zusammen 8 Taler und 3 Groschen. Der ganze Posten aber musste sauber beschnitten und geschwärzt werden. mit einem Trauerrand versehen werden, wofür noch ein Taler extra zu zahlen war.
Das aber sind nicht die einzigen Kosten, die diese Kantate gemacht hat. Denn darüber gibt uns folgende Rechnung Aufschluss:
1. der Summissarius und Director musicalis
Ruhr für die Composition der Cantate – 12 Taler
2. pro Directione – 4 Taler
3. für die musikalischen Stimmen auszuschreiben – 2 Taler
4. der Vicarius u. Organist, Herr Tegtmeyer – 3 Taler
5. der Stadtmusikus, Herr Albrecht, mit seinen
Chor und requirierten Gehülfen – 12 Taler
6. Das Schülerchor – 7 Taler
7. vor die Choristen noch einen Taler empfangen – 1 Taler
———————-
Summa 41 Taler
Diese Rechnung ist aber nur mit 39 Talern bezahlt worden
Seht interessant sind immer Apothekerrechnungen. Auch hier liegt eine solche mit vor. Die Familie von Dacheröden hat den Apotheker viel gebraucht. Ich will nur einige Posten der Rechnung herausgreifen:
Essenz a 10 Tropfen der jüngsten Frl. Tochter – 2 Groschen
Balsam zum Zahnfleisch der ältesten Frl. Tochter – 3 Groschen
Elexier a 50 Tropfen
Ihre Gnaden der Frau Präsidentin – 6 Groschen
Pulver alle Abends ein – 5 Groschen
Laxiersaft dem jüngsten Frl. Tochter – 1 Groschen
Wenn es dann aber heißt: dito Spezies zum Küssen so soll man nun nicht meinen, dass das ein Mittel gewesen wäre, womit die Damen der damaligen Zeit das Annehmen von Küssen eines Kavalier besondere harmlos gestaltet hätten, sondern spezies ist ein Tee. Und zum Küssen würden wir heute schreiben: zum Kissen. Man hat also, wie man das auch heute noch gern tut, Camillentee in ein Säckchen gefüllt und diese erwärmt auf schmerzende Glieder oder Zähne gelegt. Außerdem aber bezog man auch Kissen aus der Apotheke, die mit wohlriechenden Kräutern gefüllt waren: Ein solches kostete 1 Taler.
An Briefporto sind ausgegeben worden 11 Taler 15 Groschen 9 Pfennige
Dabei musste das Porto für die abgehenden Briefe bezahlt werden, aber auch für einen Teil der ankommenden. Zum Beispiel kosten 7 Briefe von Berlin 14 Groschen, aber einer „aus der Schlesien“ kostet allein 7 Groschen.
Schließlich musste die Leichenpredigt für den hohen Verstorbenen nach damaliger Sitte gedruckt werden: Diese Leichenpredigten hochstehender Verstorbener bildeten lange Jahrhunderte hindurch den Hauptteil der Schöngeistigen Literatur. Das Büchlein umfaste 44½ Bogen und es wurden 600 Exemplare auf Schreib- und 100 auf Druckpapier gedruckt. Druckkosten betrugen 230 Taler. Für das Einbinden quittierte der Buchbinder Alexander Barby für 600 Stück, versilbert in Pappe mit gedrucktem Wappen gebunden je Stück mit 2 Groschen 8 Pfg. Die 100 Stück gemeinen Bände aber kosteten im Einbinden je Stück nur 1 Groschen.
Alle diese Ausgaben sind hohe, aber sie werden in damaliger Zeit als notwendige Repräsentation verlangt. Dagegen ist man sehr bescheiden gewesen, was Essen und Trinken anbelangt. Es erscheinen rechnungsmäßig nur 5 Boutaillen (Flaschen) Wein je 20 Groschen und zweie je einen Taler. Sonst hatte man nur Confekt aufgestellt, welches aber – es waren 31½ Pfd. – nicht aufgezehrt wurde. Denn es wurden etwa 10 Pfd. vom Lieferanten zurückgenommen.
Aber es interessiert sicherlich zu wissen, was man denn nun eigentlich früher als Confekt bezeichnete. Ich will hier einige Namen solcher süßen Sachen aus der Rechnung folgen lassen: Citron Piquit, Makronen, Mandelhaufen, Caffe Brodt, gebrannte Mandeln, diverses Candiertes, Pomeranzenbrezeln, Stritzel mit Citronenguß usw.
Die Rechnungen schließen dann mit denen für das Ausmauern der Gruft, den Grabstein und das Epitaphium mit vergoldeten Buchstaben.
Dieser Carl Friedrich von Dacheröden, der erste Herr dieses Namens auf Burgörner, hinterließ vier Kinder:
1. Carl Friedrich, geb. 22. April 1732, der nachmals Landrat im preußischen Anteil der Grafschaft Mansfeld war und später Kammerpräsident in Magdeburg. Er machte viel Ungemach auf seinen Besitzungen durch während des 7 jährigen Krieges. Wiederholt musste er seine Pächter – auch die in Burgörner – entschädigen für Plünderungen. (siehe dazu auch unsere Ausführungen „Zum 300. Geburtstag Friedrich II.“) Eine seine Töchter war Karoline von Dacheröden, jene hochbegabte Frau, die einen Wilhelm von Humboldt heiratete. (s.Bild)
2. Charlotte Elisabeth, die im Alter von 17 Jahren schon mit einem Hauptmann Carl Ludwig von Haake verheiratet war. Sie war geboren am 15.September 1734.
3. Helene Ludmilla, geboren am 21. Februar 1736. Sie heiratete einen Herrn von Borg. Nur sie tritt noch bei der Bestandsaufnahme des Erbes ihrer Mutter 1777 mit ihrem Bruder Carl Freidrich auf. Die oben unter 2 angeführte Charlotte Elisabeth scheint damals schon verstorben zu sein, ebenfalls ihre Schwester
4. Sophie Auguste, die am 24. Dezember 1734 geboren wurde.
Natürlich hatte Carl Friedrich der Ältere von Dacheröden rechtzeitig ein Testament gemacht, und zwar hatte er das drei Jahre vor seinem Tode eigenhändig niedergeschrieben.
In diesem Testament hatte er letztwillig nicht nur verfügt nach reiflicher Überlegung, dass seine Frau Ludmilla von Posadowski, Freiin von Postelwitz, befreite Vorerbin seines ganzen Vermögens sein sollte, sondern er hatte für die zerbrechliche Hülle seiner Seele, sein durch viele Leiden, besonders solche podagrischer Art (Fußgicht) geschwächter Körper der Erde wieder anvertraut werden sollte aus der er entstanden wäre. Und zwar wolle er in der Kirche begraben sein, in der er eingepfarrt gewesen wäre. Das war der Magdeburger Dom. Wenn es möglich wäre, solle ihm die Leichenrede vier Wochen nach seinem Tode der Hochwürdige Abt Steinmetz halten (wahrscheinlich vom Kloster Berge, der verf.) Die Parentation (parentalis = Totenfeier) aber solle ihm ein gelehrter rechtskundiger Mann halten über lateinischen Text, den er ebenfalls anführt. Leichenpredigt und Parentation sollen mit der Angabe seiner Personalien gedruckt werden. Eine Gedächtnistafel, ein sogenanntes Epitaphium wurde ebenfalls von ihm entworfen. Wenigsten acht Tage lang nach seinem Tode sollte im Trauerhause eine Gebetsstunde täglich gehalten werden. Hierbei sollte Gott gedankt werden für die gnädige Auflösung seines Leibes und sollte den anwesenden bedürftigen Leuten reichlich an Almosen ausgeteilt werden.
Wenn wir das alles lesen glauben wir, dass es einer vergangenen Zeit angehört. Das stimmt aber nicht ganz. Auch heute gibt es so ähnliches in kleinerem Maßstabe, wo man häufig ein Begräbnis in geradezu entweihender Weise als Gelegenheit zur Repräsentation ansieht.
Anmerkung:
Den vorstehenden Artikel haben wir in der Original-Fassung übernommen lediglich mit veränderten Schriftbild und einigen in Klammer gesetzten Wort-Erläuterungen. Die eingefügten Bilder einschließlich der Zeitungsseiten sind uns aus einer privaten Sammlung zur Verfügung gestellt worden wofür wir an dieser Stelle Dank sagen. In diesem Zusammenhang möchten wir auf unser Impressum hinweisen.